Aber auch seine Südsee-Idyllen sind mittlerweile, wenn nicht zu kommerziellen, so doch zu kulturellen Werbe-Botschaften geworden. Alles ist - so zeigen Ruhligs Arbeiten - Gestaltung. Fließende Sinnschichten ergeben sich auf diese Weise, denn alles ist hier wimmelnd in Bewegung. Kathrin Ruhlig zeigt klar und präzise die Verfügbarkeit der Bilder und zwar ohne erhobenen Zeigefinger. Kein Aufruf also, kein Appell gegen die "geheimen Verführer", sondern ein poetisches Zeigen. Das Auge nimmt zunächst das ganze Bild in seiner Opulenz wahr, die Nuancen stellen sich dann über die Zeit der Bildbetrachtung langsam ein. Die Figur-Grundbeziehung wird bei Kathrin Ruhlig auf diese Weise beinahe gleichgewichtig und nahezu austauschbar. Die Konnotationen verändern sich ständig, Vor- und Nach-Bilder tauchen auf dem Bildträger auf, Motive springen plötzlich vor, andere treten wieder zurück. Wir haben es hier mit einer ganz eigenen Wendung der Pop-Art zu tun. Es geht nicht um das Spiel mit werblichen Logos, es geht nicht um politische Appelle und Konsumkritik. Vielmehr zeigen uns diese Vexier-Bilder mit ihren Wahrnehmungssprüngen, mit ihrer Bild-Entfaltung, dass Sehen ein sehr komplexer Prozess ist, und sie belegen auf nachvollziehbare Weise, wie sehr sich unsere Augen narren lassen, wenn im Laufe der Betrachtung auf der Leinwand neue Bildinhalte auftauchen. Zugleich führt das Überreizen der Stofflichkeit, das opulente ornamentale Übergießen, das Sprudeln der Bilder bei Ruhlig innerhalb des Bildganzen zu einer bemerkenswerten Enthierarchisierung der Bildebenen. Das Bild als Netzwerk folgt der Logik der allmählichen Entfaltung des Sehens in der Bildwelt Kathrin Ruhligs und es scheint zunächst, als kämen diese Bilder aus dem Inneren, als wäre vieles noch ungeborgen im Unbewussten, wäre also zunächst noch gar nicht zu Bewusstsein gekommen. Ruhligs Arbeiten bilden aber jenseits dieses psychologischen Aspekts wohl eher die Anstrengungen des Sehens ab, denn alles ist ja immer objektiv da auf der Leinwand, alles hat sich dort längst materialisiert, alles ist im Grunde ständig sichtbar,wir sehen es nur nicht sofort, wir nehmen es nur nicht immer gleich wahr. Was im Bilde ist, das kommt in diesen Arbeiten nur langsam ans Licht. Wahrnehmung - braucht Zeit - das zeigt uns Kathrin Ruhlig. Es geht in diesen Arbeiten also auch um die Interpretation des Sichtbaren, und zwar um Wahrnehmung, die jenseits des rein physiologischen Sehvorgangs liegt. Es gibt kein unschuldiges Auge. Der erste Blick und der letzte Blick auf die Malerei von Kathrin Ruhlig wird deshalb nie derselbe sein. Indem wir uns selbst immer wieder neuem Wissen aussetzen und sich damit unsere persönliche Wahrnehmung ständig verändert, sind wir als Betrachter auch den Wahrnehmungen auf dem Bildträger immer wieder neu ausgesetzt. Bildbetrachtung heißt deshalb bei Kathrin Ruhlig, sich einzulassen auf ein visuelles Abenteuer voller Überraschungen und Neuentdeckungen. Man kann eben nicht zweimal in denselben Bilder-Fluss steigen.